Der Taschenkalender et moi
Halbgedachte Gedanken zur Loyalität zu Dingen und einem Problem mit Marktlogik
Vor ein paar Tagen ist mein Hobonichi Techo für das kommende Jahr 2025 gekommen. Ja, ich bestelle jedes Jahr einen Taschenkalender aus Japan. Und ich weiß, wie absurd das klingt. Aber das Ausjapanbestellen ist ein unglücklicher Umstand, ich bestelle nicht einfach irgendeinen Taschenkalender aus Japan, ich bestelle jedes Jahr denselben Taschenkalender, aus Japan. Wenn ich ihn auf kürzerem Postweg bekommen würde, würde ich das vorziehen.
2025 ist, wenn ich mich nicht verzähle, mein fünftes Jahr mit dem Techo. Davor bin ich ein paar Jahre eher schlecht als recht mit einem A5 Kalender á la Moleskine oder Leuchtturm herumgerannt und davor hatte ich den leider nicht mehr existenten Kalender von Reclam.
Man sieht, ich neige zu Loyalität, nicht nur, was meinen Kalender betrifft, sondern auch bei Notizbüchern, Füllfedern und bestimmt einigen anderen Dingen. Von außen betrachtet, ist das vor allem als Markenloyalität zu lesen, aber innen drinnen ist es - so glaube ich - wirklich eine Loyalität diesen spezifischen Dingen gegenüber.
Manchmal fordere ich mich, wenn ich wieder darüber nachdenke (beispielsweise, wenn ich gerade wieder mehr Zoll für meinen Kalender bezahlt habe, als er eigentlich gekostet hat), heraus, mir selbst zu erklären, wie das mit einem grundsätzlichen Antikapitalismus zusammengeht. Was es natürlich nicht tut, zumindest nicht hundertprozentig. Aus marktkritischer Perspektive müsste mir natürlich egal sein, in welches Heft ich meine Termine schreibe, Hauptsache sie sind wieder auffindbar. Aber aus derselben marktkritischen Perspektive entfernt mich meine Loyalität gewissermaßen auch aus den Prinzipien des immer nächsten hot shit. Wenn jede*r immer denselben Kalender kaufen würde, würden die einschlägigen Firmen vielleicht nicht Jahr für Jahr neue Varianten ohne große funktionale Unterschiede herausgeben.
Meine kapitalismuskritische Haltung ermöglicht mir auch immer noch Präferenzen, ästhetischer Natur, aber noch viel mehr praktischer Natur: Nicht jede*r verwendet Kalender in derselben Art, dementsprechend haben verschiedene Layouts, Formate u.ä. auch in einer vom Markt entkoppelten Logik ihre Berechtigung.
Soweit, so ambivalent. Dann wäre da noch der Gedanke, dass eine Welt post marktinhärenter Trash-Maschinerie “gutes” Handwerk braucht und wertschätzen sollte. Nun ist “gutes” Handwerk derzeit aufgrund von Marktlogik und Produktionsbedingungen teuer und in vielen Fällen für viele unleistbar ist. Ein gutes Paar Schuhe ist teuer, hält aber länger, während leistbare Schuhe oft ersetzt werden müssen und auf Dauer teurer kommen. Alter Hut.
Der Gedanke ist nicht zu Ende gedacht. Vielleicht wächst etwas daraus.
Zuletzt aktualisiert am 10.10.2024